Kita-Initiative und Familienzeit-Initiative

Zwei Initiativen, die im Grunde etwas Gutes wollen: weniger Kosten, bessere Betreuung, mehr Wahlfreiheit für Eltern, eine gleich lange Elternzeit für beide Elternteile und somit mehr Zeit für die Familie in den ersten neun Lebensmonaten eines Babys. Doch sind die Stossrichtungen der Vorlagen tatsächlich geeignet, das Wohlergehen der Eltern und des Kindes zu fördern und die Familiendynamik nachhaltig positiv zu beeinflussen?

Höherprozentige Arbeitskraft Mutter und Mental Load

Die Kita-Initiative will vor allem für Mütter einen Anreiz schaffen, sich früher und mit einem höheren Arbeitspensum wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Eine frühe Rückkehr an den Arbeitsplatz zahle sich wirtschaftlich für alle aus, so die Initiative. Eine frühe Rückkehr an den Arbeitsplatz bedeutet für die Eltern und vor allem für die Mütter aber auch zusätzlichen Stress: frühes Aufstehen nach erwartungsgemäss oftmals schlechten Nächten mit einem weinenden, zahnenden oder kranken Baby, sich selbst und das Baby versorgen und anziehen, der Weg in die Kita, das Abgeben des Babys und dann schliesslich noch den Weg zur Arbeit. Nach einem mehr oder weniger anstrengenden Arbeitstag mit Still- oder Abpumppausen muss der Abend organisiert werden: wer geht einkaufen, wer holt das Baby aus der Kita und wer macht das Abendessen. Allenfalls müssen danach noch eine Wäsche aufgesetzt oder zusammengelegt , Rechnungen bezahlt und soziale Kontakt gepflegt werden. Für Quality Time mit der Familie bleibt in einem solchen Alltag kaum Platz. Die Hauptlast für die Organisation des Familien- und Arbeitsalltags hängt erwiesenermassen häufiger an den Frauen und wird mit ‘Mental Load’, also psychische Belastung, umschrieben.

Ist eine frühe Fremdbetreuung für mein Kind gut?

Unumstritten ist, dass die Bindung, die ein Kind im ersten Lebensjahr zumeist zu seiner Mutter als primäre Bezugsperson aufbaut, tatsächlich lebensprägend ist. Ein Kind braucht verlässliche und fürsorgliche Bezugspersonen, die es gut kennt, um sich sicher und gesund entwickeln zu können. In den ersten Lebensjahren ist es besonders verletzlich, daher ist es wichtig, genau hinzusehen, wenn es in eine Fremdbetreuung gegeben wird: Wie lange ist das Kind in der Kita? Wie läuft die Eingewöhnung? Wie gut ist der Betreuungsschlüssel? Welche Menschen arbeiten dort? Und fühlt sich mein Kind wohl? Wenn die Kita-Initiative hier tatsächlich bessere Betreuungsverhältnisse schaffen kann, ist dies positiv zu werten. Dennoch sollte man sich im Sinne des Kindswohls mit den Risiken, die eine frühe Fremdbetreuung mit sich bringen kann, genau auseinandersetzen.

Elternzeit und Gleichstellung

Die Familienzeit-Initiative will durch eine gleich lange Elternzeit eine Gleichstellung in Familien- und Arbeitswelt für beide Elternteile erreichen. Aktuell beträgt der Mutterschaftsurlaub, der dann der Elternzeit weichen soll, für die Mutter 14 Wochen. Die Mutter könnte bei einer 18-wöchigen Elternzeit somit nur vier Wochen länger zu Hause bleiben, bis ihr Baby 4.5 Monate alt ist. Ein solch früher Einstieg in den Arbeitsmarkt stellt keine wirkliche Entlastung der Mütter dar, weder mental noch körperlich. Auch haben Mutter und Baby in dem Alter eine starke Bindung und Abhängigkeit zueinander und eine längere Trennung kann bei beiden Stress auslösen. Problematisch ist auch das Stillen, wenn die Mutter sehr früh länger abwesend ist. So wird ausschliessliches Stillen bis 6 Monate empfohlen, bevor mit der Beikost gestartet werden kann. Das Abpumpen der Muttermilch ist mit Aufwand verbunden, es ist körperlich nicht angenehm und bringt organisatorische Herausforderungen mit sich — insbesondere wenn das Baby noch ausschliesslich gestillt wird. Ein früher Einstieg der Mutter in den Arbeitsmarkt bedeutet somit auch ein grösseres Risiko, dass frühzeitig abgestillt wird. Die Familienzeit-Initiative bietet zudem gar keine echte Familienzeit, sondern getrennte Elternzeit, welche von den Elternteilen grundsätzlich alternierend bezogen werden kann. Maximal ein Viertel — also 4.5 Wochen — können laut Initiativ-Text gemeinsam bezogen werden. Eine echte Familiendynamik kann sich in der kurzen Zeit wohl kaum einstellen und schnell muss jeder Elternteil den Alltag mit Kind alleine meistern — auch hier werden die Eltern nicht entlastet.

Jobsharing, Teilzeit-Karriere und Flexibilität

Fazit: Eine frühe Rückkehr der Mutter an den Arbeitsplatz mit einem hohen Pensum birgt viel Stresspotential —insbesondere für Mutter und Kind, was einer positiven Familiendynamik in den meisten Fällen hinderlich ist.

Eine wirkliche Entlastung und eine bessere Work-Life-Balance für den Alltag mit Beruf und Familie bringen andere Modelle: Jobsharing, Teilzeit-Arbeit, flexible Arbeitsbedingungen und kürzere Arbeitstage. Die Produktivität ist an kürzeren Arbeitstagen höher, die Motivation sowieso und ein guter Ausgleich zwischen Beruf, Freizeit und Familie bedeutet auch eine stabilere körperliche und psychische Gesundheit für alle Beteiligten. Davon profitiert auch die Volkswirtschaft längerfristig.